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Harter Brexit als Alptraum für die Logistikbranche?

Harter Brexit als Alptraum für die Logistikbranche?

Bis zum 31.12.2020 läuft die Frist noch: Dann tritt Großbritannien offiziell aus der europäischen Union aus. Und auch jetzt – knapp zwei Monate vor dem Austritt – gibt es noch keine Einigung, wie der Warenverkehr in Zukunft aussehen soll. Das macht immer mehr Unternehmen, Branchenverbände und Behörden nervös.

Völlig zu Recht, sagt der Logistik-IT-Provider BluJay Solutions. In einer neuen Pressemitteilung gibt das Unternehmen an, dass wenn es tatsächlich zu einem harten Brexit ohne irgendwelche Freihandelsabkommen komme, dann drohe nicht nur ein komplettes Chaos an den Grenzen. Nein, auf einen Schlag müssten auch Millionen von Zollerklärungen ausgefüllt werden. Mit einem möglichen harten Brexit kommen nie dagewesene Herausforderungen auf die Logistikbranche zu.

Die aktuelle Lage beim Brexit

Aktuell stimmt einen der Stand der Verhandlungen beim Brexit nicht wirklich zuversichtlich. Zwar befindet sich die EU und Großbritannien jetzt immerhin wieder in Verhandlungen. Denn Mitte Oktober hatte die Regierung in London die Gespräche zunächst für beendet erklärt. Nach Zugeständnissen aus Brüssel hat sich die Regierung von Boris Johnson allerdings wieder zu Gesprächen bereit erklärt.

Jedoch sollte man sich keine falschen Hoffnungen machen. Denn weiterhin gibt es einige, scheinbar, unüberbrückbare Hindernisse. So zum Beispiel die Frage der Irland-Grenze. Außerdem geben politische Beobachter davon aus, dass sich Boris Johnson nur alle Karten offen hält. Sollten die US-Wahlen mit Trump als Wahlsieger enden, halte Johnson vorteilhafte Abkommen mit den USA für möglich, so die Experten. Sollte es zu einem Wahlsieg Bidens kommen, dann könnte der politische Druck auf Johnson, doch noch eine Einigung zu finden, wieder größer werden.

Importnation Großbritannien

Die Chancen, dass es tatsächlich doch zu einem harten Brexit kommt, sind also ziemlich hoch. Warum das den Unternehmen und Behörden solche Kopfschmerzen macht, wird klar, wenn man sich ein paar Zahlen ansieht.

Laut Logistik-IT-Provider BluJay Solutions werden aktuell ca. 70 Prozent aller in Großbritannien verkauften Waren importiert. Das schließt die Länder England, Schottland, Wales und Nordirland mit ein. Von diesen Importen wiederrum stammt die Hälfte aus der EU. Die Importe aus der europäischen Union haben einen Wert von Wert: 304 Milliarden Euro. Im gleichen Zeitraum wurden Waren im Wert von 311,9 Milliarden Euro aus nicht-EU-Ländern importiert.

Bei der Warenversorgung des gesamten Landes spielt die EU also eine entscheidende Rolle. Sollte es zu einem harten Brexit kommen, dann ist die Versorgung in einigen entscheidenden Schlüsselbereichen entscheidend gefährdet.

Und auch beim Export spielt der Warenaustausch mit der EU eine große Rolle. Denn Großbritannien exportiert nicht nur Waren im Wert von 217,3 Milliarden Euro an Länder außerhalb der EU. Ganze 193,7 Milliarden Euro sind die Waren wert, die innerhalb des europäischen Binnenmarktes exportiert werden. Ein harter Brexit dürfte also auch massive finanzielle Einbußen für die Wirtschaft bedeuten.

Folgen für die Logistikbranche

Ob es jetzt zum harten Brexit kommt oder nicht – so oder so muss sich die gesamte Logistikbranche auf große Veränderungen einstellen. Denn dass es zum Brexit kommt ist klar. Und das bedeutet auf jeden Fall neue Zollvorgänge und neuen Papierkram.

Wie schlimm das wird, hängt aber ganz davon ab, ob es zum harten Brexit kommt. Denn sollte es zu einem Freihandelsabkommen kommen, dann lässt sich der Warenverkehr eventuell ohne zu große Probleme fortsetzten. Stefan Tärneberg, Director Solutions Consulting bei BluJay Solutions, sagte dazu: „Im besten Fall kommt Großbritannien mit einem blauen Auge davon. Liegt ein Abkommen vor, lassen sich die Zollformalitäten begrenzen.“

Ganz anders sieht es allerdings aus, falls es doch zu einem harten Brexit kommt. Denn wenn nur noch die Mindeststandards der WTO gelten würden, dann würden auf einen Schlag Millionen von Anträgen und Einfuhrgenehmigungen nötig. Das würde außerdem auch extremkostspielig werden, für Unternehmen und Behörden. Denn plötzlich müssten extreme Ressourcen darauf verwendet werden, dass die unzähligen Anträge und Genehmigungen ausgefüllt und bearbeitet werden. Ein organisatorischer Alptraum.

Stefan Tärneberg äußerte sich dazu folgendermaßen: „Sollte Großbritannien zum Drittstaat werden, wird sich die Zahl der Zollanmeldungen vervielfachen. Im vergangenen Jahr mussten britische Unternehmen fünf Millionen Zollerklärungen ausfüllen, im Falle eines Hard Brexit wären es schlagartig 400 Millionen – ein Anstieg um beispiellose 8.000 Prozent.“

Das sollten Speditionen bei einem harten Brexit als erstes tun

Es wird sich also vieles ändern im Warenverkehr. Und zwar mit hartem Brexit oder ohne. Deshalb ist es schon jetzt so entscheidend, dass sich Unternehmen ausreichend auf alle möglichen Optionen vorbereiten. Vor allem das Automatisieren der wichtigsten Bearbeitungsvorgänge, so Tärneberg: „Die Unternehmen müssen die Sache selbst in die Hand nehmen und die Zollerklärungen automatisieren. Wer unvorbereitet ins neue Jahr geht, wird am 1. Januar einen gewaltigen Schock erleben.“

Aber nicht nur die Manager, sondern auch die Fahrer müssen richtig planen. Denn neben dem neuen Zollchaos wird es auch zu nie dagewesenen Staus an den am häufigsten genutzten Grenzübergängen kommen. Die britische Regierung warnt bereits davor, dass Lkw-Fahrer möglicherweise mit Wartezeiten von mehreren Tagen rechnen müssen.

Deshalb sei es jetzt so wichtig, den Übergang zwischen Calais und Dover zu vermeiden. Denn hier wird man auf jeden Fall mit einem Verkehrschaos rechnen müssen – egal ob es ein Abkommen gibt oder nicht. Deshalb sollte man sich am Besten jetzt schon nach Alternativen in Großbritannien umsehen. So zum Beispiel London Gateway oder Newhaven. Aber auch die Häfen von Tilbury und Harwich können in dieser Situation gute Optionen sein.

Allgemein sei diese Krise eine gute Gelegenheit, um das eigene Unternehmen besser aufzustellen, meint Tärneberg: „Für viele Unternehmen birgt die Krise auch eine Chance, die Lieferkette flexibler und damit krisensicherer zu machen. Beispiele sind etwa die gemeinsame Nutzung von Containern oder eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Versendern, Logistikunternehmern, Spediteuren und Zollagenten bei der Routenplanung. Letztlich werden diejenigen profitieren, die trotz sprichwörtlich schwerer See ihre Ziele erreichen – auch wenn das bedeutet, vom bislang gewohnten Kurs abzuweichen.“

Damit könnte der Logistik-Experte durchaus recht haben. Denn nicht nur der Brexit, auch die Corona-Krise und der Handelskrieg mit China haben eins gezeigt: Unsere Welt verändert sich. Lange sicher geglaubte Tatsachen in der Welt der Wirtschaft sind plötzlich nicht mehr gültig. Wer zukünftig auf dem globalen Markt überleben will, muss flexibler und anpassungsfähiger werden.

Ist deine Firma auf einen harten Brexit vorbereitet? Oder glaubst du, dass es dazu gar nicht kommen wird? Fleet Speak will deine Meinung wissen! Lass uns in den Kommentaren wissen, was du denkst.

 

 

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